Kleine Begegnung im Kiez

Black and white portrait photography of me; masked and with Magen David necklace.

(Älterer Herr, wartend beim Gemüsehändler.)

Älterer Herr: »Sind sie jüdisch«
Ich: »Ja.«
Älterer Herr: »Kennen sie Haifa?«
Ich: »Ja. Aber ich bin kein Israeli. Juden sind nicht zwingend Israelis.«
Älterer Herr: »Schöne Stadt, war da mal … 1976. Mein Vater hat zwei Juden im Krieg versteckt. Die haben so überlebt und sind nach Haifa gegangen.«
— (Ich gehe.) —
Älterer Herr: »Schalom, schalom!«

Bei der neuen Ärztin

Magen David (Davidstern) an einer Kette, s/w

(Neue Ärztin, sehr freundlich und zuvorkommend.)

Ärztin: »Warum gehen Sie nicht zu der Ärztin am *-Platz?«
Ich: »Warum fragen Sie?«
Ärztin: »Na … (deutet auf meinen Magen David) … offensichtlich sind Sie Jude. Dort am *-Platz geht die ganze Jüdische Gemeinde hin; da hängen sogar Mesusas an den Türen.«
Ich: »Mir ist eine gute Ärztin wichtig … wollen Sie mich nicht behandeln (schmunzelnd)?«
Ärztin: »Nein, nein … natürlich behandel ich Sie (schmunzelnd) … war nur eine Frage.«

— (Ärztin fängt mit der Untersuchung an, lässt sich Zeit und hört zu. Abgesehen von der ersten Irritation fühle ich mich in guten Händen. Ich werde weiter zu ihr gehen.) —

Trommel Workshop

Morgendlicher erster Workshop einer IT-Firma in einem Hotel. Alle Teilnehmenden, ca. 70, werden innerhalb von zwei Stunden zu einem Trommel-Orchester »gemacht«. Ich verspüre keine Lust auf »Befehl« zu musizieren und bleibe nicht-musizierend auf meinem Platz. Danach gehe ich, um frische Luft zu bekommen, raus auf die Terrasse. Zwei Kollegen kommen dazu und bauen sich vor mir auf, es entspinnt sich folgender Dialog …


Er (auf meinen Magen David schauend): »Du warst nicht beim Orchester.«
Ich: »Doch, aber ich habe nicht mitgespielt.«
Er: »Das meinten wir ja. Wir haben uns überlegt Du solltest eine Religion gründen. Dann wärst Du unser Führer …«
Ich (etwas verdattert): »Das passt nicht zu meinen Idealen als Anarchist …«
Er (leicht lächelnd und wieder auf meinen Magen David schauend): »Doch doch, das passt … wie Scientology.«

(Ich verlasse nahezu fluchtartig die Terrasse und fange an darüber nachzudenken, was es mit dieser Begegnung auf sich hatte.)

Size Matters?

Faust hält einen Magen-David-Kette.

Vor der Apotheke mit mir wartend spricht mich LR an, nachdem sie gezielt auf meinen Hals-Brust-Bereich schaute …

LR: »Sind sie Mitglied der jüdischen Gemeinde?«
Ich: »Ja … noch.«
LR: »Warum noch?«
Ich: »Ich bin mit Joffe unzufrieden.«
LR: »Warum?«
Ich: »Wie er mit dem Jüdischen Gymnasium umgeht (*whatever*).«

— (kurze Pause) —

Ich: »Darf ich fragen warum sie wissen wollen ob ich Mitglied der Jüdischen Gemeinde bin?«
LR: »Sie tragen einen Davidstern … der ist so groß (*Unterton: „zu groß“*) … der den ich trage ist kleiner.«

— (Ich gehe in die Apotheke.) —

Der Pimpf und ich

Mr. Blumenberg, self-portrait

Krankenhaus Wartebereich, Berlin

Älterer Herr: »Sie sind ja reich.«
Ich: »Wie bitte?«
Er: »Na das Ganze um ihren Hals … (deutet auf meinen Hals) … Platin, oder?«
Ich: »Ne, Weißgold (schmunzelnd) … ’s ist nur Edelstahl.«
Er: »Ich bin nicht reich. Manche tragen ja auch so’n Tigerzahn um den Hals; so selbst mit den Händen erwürgt. Aber hier in der Stadt gibt’s ja keine Tiger.«
Ich: »Nein … aber Nazis.«
Er: »Ach … unser Führer … hab das ja als kleiner Pimpf noch alles miterlebt … Kristallnacht in der Wilhelmstraße und so.«
Älter Dame mischt sich ein: »Müssen aufpassen, ist schon wieder schlimm mit den Nazis, Querdenkern … auch in den Behörden.«

— (Pause, kurze absolute Stille.) —

Er: »Am besten schaut man keine Nachrichten, dann bekommt man das nicht mit.«

Alles begann Ende Mai

Ein Gastbeitrag von Maren Heldt-Klötzke.

Antirassistische Bücher erklimmen Bestsellerlisten. Zu Recht, kann ich sagen, nachdem ich zwei gelesen habe. Die Lektüre hat mich verändert. Ein persönlicher Erfahrungsbericht.

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Fremde

Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus auf der Couch: In seinem Essay »Migration, Fremdenangst und Antisemitismus« erklärt der Gastautor Yigal Blumenberg – ausgehend von einem unbeabsichtigt tiefsinnigen Zitat Horst Seehofers – psychologische Ursachen für die Ablehnung von Unbekanntem. Wer sich nie erfolgreich von seinen Eltern separiert hat, fühlt sich von „Fremdem“ bedroht und schreibt ihm die Schuld an seinem Unglück zu. Fremdenangst und Antisemitismus können deshalb, so Blumenberg, als Folge eines gestörten Selbstverhältnisses gelesen werden: Der eigene Selbsthass wird auf andere projiziert. Rassismus und Antisemitismus – ein stummer »Schrei nach Liebe«? Alle Leser:innen sind eingeladen, die Thesen im (moderierten) Kommentarteil zu diskutieren.

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Dissent

«I dissent.»

Ruth Bader Ginsburg

«If they don’t give you work, ask for bread. If they don’t give you work or bread, take the bread.»

–Emma Goldman

Ganze Welt

Mein Philosophielehrer ruft mich ab und zu an und fragt mich wie es mir geht und ich glaube, er ist der Schlüssel zur Weltrettung. Zumindest der Art der Weltrettung der ich nachgehen möchte und die das Projekt, was ich gerade mit starte, verkörpern soll.

Um zu verstehen wie ich die Welt glaube retten zu können und welche Rolle hierbei mein Philosophielehrer hat, ist eigentlich nur ein Satz wichtig;

»Wer ein Leben rettet, der rettet eine ganze Welt und wer ein Leben zerstört, der zerstört eine ganze Welt.«

Talmud, Sanhedrin 37a13
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